Es ist - zugegeben
- gar nicht so leicht, romanische Tympana an deutschen
Zisterzienserinnenkirchen zu finden, da die meisten dieser Klöster erst dann
entstanden sind, als man schon gotisch baute. Die älteren Kirchen, bei denen
man romanische Kunst erwarten würde, haben im Lauf der Zeit Phasen von
Modernisierungen und Umbau erfahren, und dies nicht nur in der Klosterzeit,
sondern auch oft genug sehr tiefgreifend danach. Manchmal stehen die Reste
solcher einladenden Türdekorationen heute isoliert von ihrem Bauwerk in Museen.
Ein solches
Tympanonfragment vom Portal der Klosterkirche zu Ichtershausen (*1147) befindet
sich beispielsweise im Gothaer Schlossmuseum.[1] Es
ist im Kontext einer Fragestellung nach dem sichtbaren Ausdruck gelebter
Spiritualität vielleicht eher verzichtbar, da es mehr eine Selbstdarstellung
der Stifter beinhaltet, doch sei es hier kurz beschrieben. Eine gezielte
Wirkung hat ja nicht nur die eigentliche Darstellung, das dort Präsentierte
wirkt im Kontext der erfahrbaren Wirklichkeit, also der Wahrnehmung des Ortes
mit seinen Bewohnern und durch sie: In der Mitte über dem heute leeren Portal
stand wohl einst der stiftende Erzbischof Heinrich I. Felix von Harburg und
links von ihm die Gründerin Frideruna von Grumbach. Rechts zeigen sich nur noch
die Finger einer Hand. Der Rest der zerbrochenen Platte fehlt. Im Zusammenspiel
der beiden noch sichtbaren Figuren ist jedoch anzunehmen, dass die rechts
fehlende Figur der Sohn der Stifterin, Marcward von Grumbach, ist.[2]
Interessant ist vielleicht die Seitenverteilung, wenn man davon ausgeht, dass
der Erzbischof sich in seiner Rolle als Stellvertreter Christi positioniert.
Denn zur Rechten steht - so ist es jedenfalls zu vermuten - der Mann und links
die Frau - die klassische Rollenzuweisung der Geschlechter nach gut und böse.
Da mag dann auch gleich der Sündenfall innerlich präsent werden, der ja ganz
gut in die Thematik einer Tympanonszene passt. Denn die Grundaussage, so
unterschiedlich sie inszeniert wird, bleibt gleich: Im Zentrum steht ein
christliches Symbol für das Leben, in diesem Fall ein Erzbischof, der als
Vertreter Christi hier die Kirche in ihrer Aufgabe, die Menschen zum ewigen
Heil zu führen, darstellt. Der linke Bereich ist in den Gerichtsszenen immer
dem Schlechten und sonst wenigstens dem Schlechteren oder der Person niederen
Ranges zugeordnet.[3]
In reinen Naturszenen kann man links die Schlange finden, rechts den Löwen.[4]
Die Frau ist also das "Schlechtere", das "schwächere
Geschlecht". Und doch waren es Frauen, zisterziensische Frauen, die in
ihrer monastischen Daseinsweise manchen Ordensmännern beeindruckende Worte
abrangen: Omnia vincit amor sanctus[5],
muss anerkennend der Zisterzienser Idung von Prüfening eingestehen, als ihm der
Cluniazenser sein Erstaunen kundtut, dass auch die Frauen ein solch rauhes
(d.h. zisterziensisches) Leben wählten.
Die Deutung eines
solchen Bildprogramms des Ichtershäuser Tympanons muss zwangsläufig immer
subjektiv bleiben, doch könnte hier ein Aufruf zur Treue gegenüber Bischof und
Kirche mit Hinweis auf das zu verlierende Heil vorliegen. Denn in der
Gründungszeit dieses Klosters, um die Mitte des 12. Jahrhunderts, während der
Regierungszeit des Papstes Eugen III., bemühten sich viele zisterziensische
Klöster bereits um die Exemtion von bischöflicher Gewalt. Genau diese dort in
dieser Weise zu präsentieren, musste eine nicht zu übersehende Botschaft
gewesen sein.[6]
Die vorbildliche monastische Observanz, mit der in diesem neuen Frauenkloster
zu rechnen war, stellte also vielleicht eine zielgerichtete Herausforderung für
die Männerklöster dar und zielte auf deren Gewissen in puncto Gehorsam
gegenüber dem Erzbischof.[7] So
gesehen, enthielt es sogar noch eine dezente Demütigung für die Ordensmänner,
wenn die Frauen diesbezüglich "folgsamer" waren. Aus der Sicht des
Erzbischofs wäre eine solche Aussage sogar ein verstecktes Lob für die Frauen.
Dass diese Zisterzienserinnen dort rasch einen ehrbaren Ruf erlangten, beweist
schon die Tatsache, dass in diesem Haus die entscheidende
"Wahlsitzung" des Staufers Philipp von Schwaben im Frühjahr 1198
stattfand, der nachfolgend in Mühlhausen zum deutschen König gewählt wurde.[8]
[1] Eine Beschreibung und zeitliche
Einordnung (um 1150) mit einer anderen Deutung gibt: Edith NEUBAUER (Bearb.),
Die romanischen skulptierten Bogenfelder in Sachsen und Thüringen, (Corpus der
romanischen Kunst im sächsisch – thüringischen Gebiet B1, Berlin 1972) S. 128f
mit Abb. Nr. 86.
[2] Die ausführliche Personenbeschreibung,
vor allem der abgebildeten Frau und eine Abbildung des Fragments finden sich
bei NEUBAUER (wie Anm. 1). Die Identifiezierung der Frau als Äbtissin ist
allerdings sehr gewagt, wenn man ihrer Deskription (perlenbesticktes Gewand)
folgt. Hier möglicherweise ist einmal bildlich dargestellt, wie man sich eine
als matrona bezeichnete Frau
vorzustellen hat, vgl. dazu Hedwig RÖCKELEIN, Matrona. Zur sozialen,
ökonomischen und religiösen Stellung einer Gruppe von Laienfrauen im
Frühmittelalter, in: Geschichtsvorstellungen: Bilder, Texte und Begriffe aus
dem Mittelalter; Festschrift für Hans-Werner Goetz zum 65. Geburtstag, hg. von Steffen
PATZOLD, Anja RATHMANN-LUTZ und Volker SCIOR (Köln u.a. 2012) S. 277-298. Da
der abgebildete Bischof auf dem Fragment ein Pallium trägt, muss er Erzbischof
sein (Ausnahme Bamberg). Sowohl die durch Konrad III. ausgestellte königliche,
als auch die erzbischöfliche Gründungsurkunde sind noch vorhanden, sodass die
namentliche Identifizierung der Stifter sowie zeitliche und kontextbezogene
Zusammenhänge daraus erschließbar sind. Orig. Thüringisches Staatsarchiv Gotha,
Geheimes Archiv, QQ lf. Nr. 1 und 2.
[3] Vgl. zur Seitenverteilung: Ingeborg
TETZLAFF, Romanische Kapitelle in Frankreich. Löwe und Schlange, Sirene und
Engel, (Köln 71992) 32.
[4]
Ein solches Portal mit
Pflanzen- und Tiermotiven kann man beispielsweise an der Klosterkirche von
Münchenlohra in Thüringen bestaunen, die um 1170 erbaut wurde. Neubauer (wie
Anm. 1) beschreibt sie unter dem Ortsnamen Großlohra S. 102, Abb. 55 u. 56.
[5]
R[obert] B[urchard] C. HUYGENS, Le moine Idung et ses deux ouvrages: Argumentum
super quatuor questionibus et Dialogus duorum monachorum, (Spoleto 1980) 165,
Zeile 392 – 394.
[6] In verschiedenen Biographien
wird immer wieder betont, dass sich Erzbischof Heinrich sehr für Kirchen und
Klöster einsetzte, aber auch mit leidenschaftlicher Energie für seine Rechte
als Mainzer Metropolit stritt. Stellvertretend zu den online verfügbaren Biographien
von ADB und NDB sei hier eine schon sehr alte Dissertation genannt: Wilhelm
STOEWER, Heinrich I., Erzbischof von Mainz (1142 – 1153), Dissertation, (Greifswald
1880).
[7] Dass gerade der Erzbischof darüber
hinaus seine Rechte auch in territorialpolitischer Hinsicht gewahrt sehen wollte
und gerade Ichtershausen ein ihm in diesem Zusammenhang sehr bedeutsamer Ort
war, zeigt die ausführliche Gründungsurkunde, die er zusätzlich zu derjenigen
des Königs, die er in ihrer textlichen Abfassung persönlich verantwortet hatte,
ausstellte. Zu dieser Interessenkreuzung vgl. Karl-Heinz ULLRICH, Die
Einleitungsformeln (Arengen) in den Urkunden des Erzbischofs Heinrich I. (1142 –
1153), Dissertation, (Marburg 1961) S. 13 – 15. Zudem betonte Erzbischof
Heinrich I. von Mainz in ganz besonderer und im Vergleich zu anderen Bischöfen
seiner Zeit außerordentlicher Weise die göttliche Verleihung des
bischöflichen Amtes und kennzeichnete seine bischöfliche Rolle in einer 1147
verfassten Urkunde (Disibodenberg / Mariengreden Mainz) als die des Stellvertreters
Christi, vgl. ULLRICH, ebd. S. 28 – 32 und 48f, was zeitlich sehr gut in die
Entstehungszeit dieses Tympanonreliefs passt.
[8] Zur Königswahl von 1198
und den Vorgängen des Thronstreits siehe z.B.: Peter CSENDES (Hg.), Philipp von
Schwaben - Ein Staufer im Kampf um die Königsherrschaft, (Schriften zur staufischen
Geschichte und Kunst 27, Göppingen 2008) oder Philipp von Schwaben: Beiträge
der internationalen Tagung anlässlich seines 800. Todestages, Wien, 29. bis 30.
Mai 2008, hgg. von Andrea RZIHACEK, Renate SPREITZER (Denkschriften. Akademie
der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse 399 / Forschungen
zur Geschichte des Mittelalters 19, Wien 2010).